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    Rote Riesenquallen in der Tiefsee entdeckt
von Wolf Wichmann
   
Meeresbiologen des Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) in Kalifornien haben eine neue Tiefsee- Quallenart entdeckt. Das rote, riesenhafte Tier wurde zum ersten Mal vor zehn Jahren von der Kamera eines Tiefsee-Tauchroboters vor Kalifornien aufgenommen, aber erst jetzt eindeutig bestimmt.
   
  Es handelt sich tatsächlich um eine bisher unbekannte Art, die George Matsumoto und seine Forscherkollegen vom MBARI entdeckt haben. Der Schirm des "Roten Riesen", der sich in in Tiefen zwischen 650 und 1.500 Metern am wohlsten zu fühlen scheint, hat einen Durchmesser von bis zu einem Meter.

Tiburonia granrojo oder "Big Red" haben die Biologen ihre Neuentdeckung getauft und nehmen damit Bezug auf seine dunkel-kirschrote Farbe. Für den "Vornamen" stand das ROV-Modell des Instituts - "Tiburon" - Pate. Mit der Kamera dieses ferngesteuerten Tauchroboters gelangen in jahrelanger Suche die Aufnahmen, die eine eindeutige Artenzuordnung erst ermöglichten.

Tief tauchende, mit lichtempfindlichen Kameras und Werkzeugen ausgestattete ROVs - Remotely Operating Vehicles sind heute die wichtigsten Werkzeuge für die Meeresforschung bei der Erkundung der unzugänglichen Tiefsee. Bei der langen Geschichte von der ersten Entdeckung der Roten Riesenqualle und deren zoologischer Einordnung spielte dann auch der Einsatz der ROV- Technologie die entscheidende Rolle.

Als das Tier 1993 während einer Tiefsee - Forschungsfahrt zum ersten Mal wie ein "... grosses, rotes Raumschiff aus der Dunkelheit der Tiefe ..." auf dem Bildschirm eines ROV auftauchte, wurden die Forscher neugierig. Seit seiner Entdeckung im Pazifik vor Kalifornien wurde "Big Red" auch in anderen Teilen der Tiefsee unterhalb von 600 Metern Tiefe gesichtet.

So bei Hawaii, in japanischen Gewässern und erst kürzlich wieder im Golf von Kalifornien. Jedes Mal konnten wieder neue Details festgestellt werden, die sich allmählich wie ein Puzzle zu einem ersten Gesamtbild zusammenfügen ließen.

Der erste Verdacht, es könne sich wirklich um eine neue Art handeln kam George Matsumo, als er 1998 gerufen wurde, um die Qualle zu bestimmen, die einer geologischen Pazifik-Expedition bei der Erforschung des Tiefseebodens vor die ROV- Kameralinse geschwommen war. Zu diesem Zeitpunkt begann der Quallenexperte, seine rote Bekannte zielstrebiger als bisher zu erforschen.

Und in der Tat erwiesen sich Farbe und Größe bald als erstes entscheidendes Klassifizierungsmerkmal. Nach intensivem Literaturstudium und der Auswertung von ROV- Videomaterial aus den zurück liegenden rund 15 Jahren, konnten erste zuverlässige Erkenntnisse über Größe, Morphologie und regionale Verbreitung der Qualle gewonnen werden. Heute steht fest, dass sich die Tiefseequalle in so vielen signifikanten Merkmalen von den bisher bekannten Quallen unterscheidet, dass sie einer eigenen Unterfamilie zuzuordnen ist - nämlich den Tiburoniidae.

Neben der ungewöhnlichen Größe und ihrer tief roten Färbung weist Tiburonia auch noch andere außergewöhnliche Details auf: Im Gegensatz zu den meisten anderen Quallenarten besitzt die "Große Rote" keine fadenförmigen, mit Nesselzellen bestückten Tentakel am Schirmrand. Unter ihrem Schirm sitzen vielmehr vier bis sieben fleischige und vergleichsweise kurze, dicke Fangarme rings um die Mundöffnung, mit deren Hilfe sie sich ihre Nahrung verschafft.

Außergewöhnlich dabei ist auch die Tatsache, dass die Anzahl der Fangarme je nach Individuum zwischen vier und sieben variiert. Allein dies bedeutete eine Herausforderung für die Arbeitsgruppe um Matsumoto, werden doch für gewöhnlich die körperlichen Merkmale eines Individuums wie Bauplan, Symmetrie sowie Ausbildung und Anzahl der Gliedmaßen für die Bestimmung, Zuordnung und Klassifizierung der biologischen Art herangezogen.

Die Anzahl der Mundtentakel ist beispielsweise für die systematische Zuordnung von Schirm- oder auch Scheibenquallen (Scyphozoa) - die auch als "echte Quallen" bezeichnet werden - ein wesentliches Bestimmungsmerkmal.

 
  So gut wie nichts weiß man bis jetzt über Lebensweise und ökologische Funktion von "Big Red" zum Beispiel welche Art von Nahrung sie bevorzugt und wie sie sie erbeutet. Dient sie vielleicht selbst anderen Tieren als Nahrung und auf welche Weise vermehrt sie sich ?

Bis heute sind trotz des Einsatzes modernster Technik die Lebensräume der Tiefsee noch weitgehend unerforscht. Neue Arten und Ökosysteme in den tiefen Regionen der Weltmeere zu entdecken und zu beschreiben gilt immer noch als eine der grossen Herausforderungen weltumspannender interdisziplinärer Forschung.

Quallen bilden keine einheitliche Klasse. Die meisten Arten gehören zum Plankton, das sich frei schwebend von Wind und Strömung durch das Wasser treiben lässt. Bis zu 99,8 Prozent bestehen Quallen aus Wasser.

Die so genannten "echten Quallen" beschränken sich auf die Schirm- oder Scheibenquallen und bilden die Klasse der Scyphozoa. Sie haben die klassische äußere Gestalt mit einem Gallertschirm, von dessen Rand aus die zahlreichen, meist fädigen Tentakel zum Beutefang ins Wasser hängen.

Von ihnen gibt es weltweit insgesamt etwa 130 Arten, von denen die meisten in Küstennähe anzutreffen sind. Die mit Nesselzellen dicht besetzten Tentakel können bei manchen Arten bis zu 30 Meter lang werden. Arten haben starke Nesselgifte, die auch für Menschen bisweilen tödlich sein können.Die echten Quallen gehören zusammen mit den Würfelquallen, den Cubozoa zur den Nesseltieren oder auch Cnidaria, wie beispielsweise auch die Korallen und die Seeanemonen. Zu den Würfelquallen gehören 20 Arten, darunter auch die berüchtigten Seewespen mit Tentakellängen bis zu drei Metern. Ihrem schmerzhaftem und sehr starkem Nesselgift fallen vor Australiens Küsten auch immer mal wieder Schwimmer zum Opfer.

Im Gegensatz zu Würfelquallen, die ausschließlich in tropischem und subtropischen Meeren vorkommen, finden sich Staatsquallen Physalidae auf allen Meeren und in allen Klimazonen zurecht. Zusammen mit den Segelquallen Velella und den Strahlenquallen Porpitidae werden sie zu den Hydrozoen gezählt, die ihrerseits wiederum Nesseltiere sind.

Staatsquallen bilden Kolonien verschiedener Polypentiere, die sich jeweils auf spezielle Aufgaben, wie Beutefang, Verteidigung oder Nahrungsverteilung in der Gemeinschaft spezialisiert haben. Zu den Staatsquallen gehört auch die sehr gefährliche Portugisische Galeere Physalia physalia, deren Nesselgift für Menschen tödlich sein kann.

Staatsquallen und Segelquallen schwimmen ausschließlich an der Wasseroberfläche. Bei den Segelquallen ragt stets ein gallertiges, meist dreieckiges beweglichen "Segel" über die Wasseroberfläche, mit dessen Hilfe sie vom Wind verdriftet werden. Bis auf 20 Kilometer Länge kann ein Zug aus Segelquallen anwachsen.

Einen eigenen Tierstamm bilden die Rippen- oder auch Kammquallen, die Ctenophora. Sie sind meist birnen- oder beerenförmig und besitzen anstelle der Nesselzellen lediglich Klebezellen an ihren wenigen Tentakeln. Auf ihrer Körperoberfläche sind acht Reihen winziger Ruderplättchen in einer Art Rippenstruktur angeordnet, mir deren Hilfe sie sich im freien Wasser fortbewegen. Die meisten Rippenquallen leben planktonisch, einige Arten leben kriechend am Meeresboden oder auf Stachelhäutern oder Weichkorallen.

Source:
ens
MBARI